Ein Kleinod an der Strunde: Sorgsam restaurierte Fachwerkhäuser, Jahrhunderte alte ehemalige Wohnhäuser und Produktionsstätten der Papierfabrikanten, direkt aneinander gebaut. Im dritten Teil der Serie zur Alten Dombach rücken wir die Gebäude und ihre Geschichte in den Vordergrund.
Das älteste Haus stammt aus dem Jahr 1618, das jüngste von 1836. Die erste Konzession zum Betreiben einer Papiermühle an der Dombach wird 1614 einem Wilhelm Kessel erteilt. Cornelius Fues kauft 1685 die Mühle, in der nicht nur das Papier produziert wird, sondern auch die Fabrikanten selbst mit ihren Familien leben.
Jede der nachfolgenden Generationen baut die Häuser um, verändert, erweitert sie. So entsteht über die Jahrhunderte ein kleines Dorf.
1876 erwirbt die Gladbacher Firma Zanders die Alte und die Neue Dombach. Sie gibt die Fabrikation in der Alten Dombach aber um 1900 auf, weil die Häuser für die Maschinen der neuen industriellen Entwicklung zu klein sind.
Künftig wohnen hier noch viele Jahrzehnte Beschäftigte, bis die Zanders Feinpapiere AG und die J.W. Zanders KG dem Landschaftsverband Rheinland die Alte Dombach 1987 zur Errichtung eines Museums schenken.
Seit 1999 befindet sich hier das Rheinische Industriemuseum Papiermühle Alte Dombach.
Erfolgreiche Papierfabrikanten
Ihre Produkte finden neben dem Absatz in allen deutschen Ländern auch Abnehmer in Frankreich und in den Niederlanden. Obwohl Konkurrenten, treten die Papierfabrikanten, wenn es notwendig ist, gemeinsam auf.
Geprägt von evangelisch-protestantischer Ethik gelingt es ihnen trotz religiöser Minorität in katholischer Umgebung die politische Oberschicht und wirtschaftliche Führungsschicht in Gladbach zu stellen.
Viel Energie – und viel Abwasser
Papierherstellung benötigt viel Energie. Vor Erfindung von Dampfmaschine und Elektrizität treibt Wasser die Mühlen an. Der Strunderbach ist als Mühlenbach gut geeignet, denn er führt – gespeist aus den Karstquellen bei Herrenstrunden – ganzjährig ausreichend Wasser und ist so ein zuverlässiger Energiespender.
Aber bereits vor 1900 stellt der hohe Wasserverbrauch die Papierindustrie vor Probleme. Die Papiermühlen produzieren auch gewaltige Mengen an Abwasser. Die Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführte Chlorbleiche beschleunigt die Verseuchung der Strunde, es fallen ganz neue Schadstoffe an.
So klagt in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts der Fischereiberechtigte auf Entschädigung, weil es „kaum noch Leben“ in dem ehemals fisch- und krebsreichen Strunderbach gibt. Er kann seine Rechte wegen der Verschmutzung schon viele Jahre nicht mehr wahrnehmen.
Auch die Menschen, die bachabwärts der Fabriken leben, beschweren sich, weil das Wasser nicht mehr als Trinkwasser für die Menschen und das Vieh geeignet ist. Selbst Wiesen können nicht mehr bewässert werden.
Es mussten Kläranlagen gebaut werden. Seit 1872 gibt es die erste Kläranlage zwischen Alter und Neuer Dombach. Sie kann aber nicht die großen Abwassermengen bewältigen, so bleibt der Strunderbach stark belastet. Das Wasser nimmt schon mal eine bleigraue bis schwärzliche Färbung an.
Das kleine Dorf ist noch zu erahnen
Überraschend: Immer wieder ergeben sich beim Spazieren durch das Ensemble der alten Fachwerkhäuser neue Durchblicke, neue Perspektiven.
Im höchste Gebäude (gebaut um 1790) richtet der Fabrikant Gustav Josua Müller um 1803 ein Trockenhaus ein. Hier befinden sich heute die Kasse und der Museumsladen. Stöbern lohnt sich.
Im Trockenhaus läuft zur Zeit auch die amüsante Sonderausstellung „Von der Rolle – KloPapierGeschichten“. Bis Februar 2021.
Das Leben an der Strunde
Generationen bergischer und zugewanderten Familien verdienen in vier Jahrhunderten hier als Arbeiter ihren Lebensunterhalt.
Die Papiermühlenbesitzer bauen im 19. Jahrhundert für sie kleine Kotten mit ungefähr 30 qm großen Wohnungen. Die Kinder müssen im Treppenhaus schlafen.
Die Wohnungen sind in erster Linie nicht Ausdruck von Fürsorge für die Beschäftigten. Sie sollen auch die Bindung der ausgebildeten und angelernten Arbeiter und deren Familien an das Unternehmen sichern.
Frauen und Kinder müssen mitarbeiten, um den Lebensunterhalt zu sichern. Kinder bekommen für ihre Arbeit die Hälfte des Frauenlohns. Und Frauen bekommen auch damals geringeren Lohn als die Männer.
Die schmutzige und schwere Arbeit in den Lumpenkammern leisten Frauen und Kinder. Sie sind dabei erheblichen gesundheitlichen Belastungen und Lärm ausgesetzt.
Man kann sich die Gerüche, die von Lumpen und Hadern in den Faulgruben und von den Leimküchen ausgehen, noch gut vorstellen.
Gärten zur Selbstversorgung
Gegen Entgelt dürfen die hier wohnenden Arbeiterfamilien Parzellen der Äcker und Wiesen ihrer Arbeitgeber bewirtschaften, Kartoffeln, Obst und Gemüse für sich selbst anbauen. Es gibt hier draußen, zwei Kilometer vom Marktplatz in Gladbach entfernt, keinen „Hofladen“.
Diese Serie wird in den kommenden Wochen fortgesetzt. Die bisherigen Folgen finden Sie weiter unter.
Anreisetipps (falls Sie nicht mit dem Auto fahren wollen)
Zu Fuß, aus der Innenstadt zum Papiermuseum
Mit dem Bus: Linie 426 nach Spitze/Kürten, wochentags alle 20 Minuten, samstags alle 30 Minuten, sonntags jede Stunde
LVR-Industriemuseum Papiermühle Alte Dombach
Alte Dombach, 51465 BGL
Dienstag bis Freitag 10 – 17 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertage 11 – 18 Uhr
Auf den Internetseiten „Papiermühle Alte Dombach“ finden Sie weitere wichtige Informationen für einen Besuch: Führungen, Eintrittspreise oder freie Tage, Veranstaltungen, Sonderausstellung, Busverbindungen etc.
July 25, 2020 at 11:12AM
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Das kleine Dorf am kleinen Bach - iGL Bürgerportal Bergisch Gladbach
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Dorf
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